Kuba
Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik
Kuba gehört trotz zahlreicher Unabhängigkeitskämpfe zum spanischen Kolonialreich, bis 1898 die USA das Land besetzen. 1902 erlangt Kuba formal die Unabhängigkeit, die jedoch wegen US-amerikanischer Interventionsrechte eingeschränkt bleibt. Die Einwanderung aus den USA und Europa nimmt nun zu; zudem werben einheimische Unternehmer Arbeitskräfte aus Jamaika, Barbados und Haiti für die Zuckerindustrie an, den wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes, und hintertreiben so Versuche einer „Aufhellung“ der Bevölkerung.
Juden, denen die Einwanderung erst seit 1881 erlaubt ist, kommen aus dem Mittelmeerraum und Osteuropa. Zwischen 1921 und 1923 nutzen viele von ihnen das „Hotel Kuba“ zur Weiterreise in die USA.
1925 kommt mit US-amerikanischer Hilfe General Gerardo Machado y Morales ins Amt, der, auf Geheimpolizei und Militär gestützt, das Land während der Wirtschaftskrise in eine Diktatur verwandelt. 1933 wird er durch einen Generalstreik gestürzt. Der neue Präsident Ramón Grau San Martín bringt ein Programm wirtschaftlicher und sozialer Reformen auf den Weg. Die „revolutionären“ Maßnahmen tragen auch nationalistischen Charakter; so schreibt ein neues Gesetz fest, dass mindestens die Hälfte der Arbeiter jedes Betriebs Kubaner sein müssen. Es trifft viele Einwanderer empfindlich.
Grau, dem die US-Regierung die Anerkennung verweigert, kann sich nur vier Monate halten. Es folgt eine „Diktatur im demokratischen Gewand“. Bis 1940 setzt der neue Armeechef Fulgencio Batista Zaldívar mit Rückendeckung der USA mehrere Marionettenpräsidenten ein. 1937 macht er eine politische Kehrtwende und inszeniert sich als Vollender der grundlegenden Reformen von 1933, auch gegen amerikanischen Widerstand. Von den kubanischen Präsidenten der 1930er-Jahre kann sich einzig Federico Laredo Brú fast eine ganze Amtszeit (1936–1940) halten. Seiner Regierung wird Ferne zur antisemitischen Bewegung nachgesagt, während ein Teil der Eliten Kubas faschistischen und antisemitischen Ideen anhängt.
Die Regierung Brú reagiert jedoch verhalten auf US-amerikanische Versuche, sie zur Aufnahme deutscher Juden zu bewegen. Dank liberaler Einwanderungsgesetze erreichen dennoch 5.000 europäische Juden Kuba, bis Anfang Mai 1939 die Visabestimmungen verschärft werden. Fortan ist eine Genehmigung von den Einwanderungsbehörden sowie den Außen- und Arbeitsministerien nötig, Touristenvisa gelten nicht mehr. Für die fast 1.000 Flüchtlinge, die im Juni 1939 mit der St. Louis in Kuba einreisen wollen, bedeutet diese neue Regelung unermessliches Leid.
Einreiseerlaubnis der kubanischen Einwanderungsbehörde für Siegmund Guttstadt und seine Tochter Margot als Touristen durch Manuel Benitez González, März 1939
Ein Einwanderungshindernis sind die starken Quotierungen am Arbeitsmarkt. Batistas Protegé Benitez nutzt seine Stellung als Direktor der Einwanderungsbehörde, um Einreiseerlaubnisse außerhalb der regulären Bestimmungen zu verkaufen.
Auswärtiges Amt / Politisches Archiv, Berlin, R 67186
Kofferanhänger der Familie Salomon für die Überfahrt nach Buenaventura im Oktober 1938
„Reichsdeutsche“ brauchen zu diesem Zeitpunkt noch kein Visum. Jede Person muss über die Schifffahrtsgesellschaft 500 US$ für mindestens zwei Jahre beim Innenministerium hinterlegen. Das Aufenthaltsvisum für Transitreisende gilt 90 Tage. Touristen ohne Rück- oder Weiterfahrt müssen ein Landungsgeld von 300 US$ deponieren.
Sammlung Wolfgang Haney, Berlin
Kofferanhänger der Familie Salomon für die Überfahrt nach Buenaventura im Oktober 1938
„Reichsdeutsche“ brauchen zu diesem Zeitpunkt noch kein Visum. Jede Person muss über die Schifffahrtsgesellschaft 500 US$ für mindestens zwei Jahre beim Innenministerium hinterlegen. Das Aufenthaltsvisum für Transitreisende gilt 90 Tage. Touristen ohne Rück- oder Weiterfahrt müssen ein Landungsgeld von 300 US$ deponieren.
Sammlung Wolfgang Haney, Berlin
Präsident Laredo Brú (links) und Armeechef Batista (rechts), Dezember 1936
Batista ist der „starke Mann“ Kubas im Hintergrund. 1940 lässt er sich zum Staatschef wählen. Seine Popularität geht auf Kosten der alten Eliten; Batista kennt die Diskriminierung durch die weiße Oberschicht. Nach einem Richtungswechsel 1937 stärkt er Gewerkschaften, legalisiert die kommunistische Partei und verteilt Staatsländereien.
Zentrum für Antisemitismusforschung / Technische Universtät Berlin
Delegation
Juan Antiga y Escobar
* 23.8.1871 Mayajigua † 9.2.1939 Havanna
Der aus einer mittellosen Familie stammende Juan Antiga y Escobar studiert mithilfe einer Hochbegabtenförderung Medizin. Für seine Weiterbildung verlässt er die spanische Kolonie Kuba und wirkt in vielen Ländern des amerikanischen Kontinents.
In Mexiko wird Antiga y Escobar zum in ganz Lateinamerika anerkannten Spezialisten für Homöopathie. Er tritt für die Unabhängigkeit Kubas ein und kehrt 1911 dorthin zurück. In den 1920er-Jahren gehört er zur Grupo Minoristas, einer Vereinigung von Intellektuellen, Medizinern, Sozialwissenschaftlern und Künstlern, die sich gegen die kubanische Diktatur wendet und eine Modernisierung der Gesellschaft fordert.
1934 wird Antiga y Escobar Leiter eines neuen Amtes für Arbeit und soziale Reformen, für dessen Schaffung er sich bereits 1913 in seiner zweiten, juristischen Dissertation ausgesprochen hat. Für Kuba wirkt er als Außerordenlicher Botschafter und Generalbevollmächtigter in der Schweiz und Frankreich sowie als Ständiger Delegierter beim Völkerbund.
Juan Antiga y Escobar, undatiert
Antiga y Escobar erlangt Berühmtheit als Spezialist für Homöopathie. 1927 weist er auf den Zusammenhang von sozialen und medizinischen Problemen hin und fordert bessere Arbeitsbedingungen. Sein Eintreten für eine Modernisierung der Gesellschaft ist mit einem kritischen Blick auf die negativen Folgen moderner Produktions- und Marktmechanismen verbunden.
El Sol de Meissen 1933, Liga-Hispano-Americana Pro-Homeopatía
Zusammenfassung der Stellungnahme
Der kubanische Delegierte erinnert an die großzügige Aufnahme kubanischer Flüchtlinge in der Zeit der Unabhängigkeitskämpfe und verspricht, auch Kuba werde im Rahmen der eigenen Möglichkeiten seinen Beitrag leisten. Nach der Wirtschaftskrise seien jedoch Tausende Arbeiter und Intellektuelle erwerbslos. Wegen des niedrigen Zuckerpreises fehlten dem landwirtschaftlich geprägten Land wichtige Einnahmen aus dem Hauptproduktionszweig. Kuba müsse zudem 50.000 ausländische Arbeitskräfte, die ohne Erwerb und Ressourcen im Land seien, unterhalten. Unter diesen Bedingungen sei die Aufnahme neuer Immigranten sehr schwierig. Die Regierung werde jedoch im Rahmen der eigenen Gesetze mit Blick auf Zahl und Berufsstand jeden einzelnen Fall wohlwollend prüfen. Gleichzeitig sei man bereit, Flüchtlinge aufzunehmen, die sich auf eigene Kosten in Kuba ansiedeln wollten. Eine Einwanderung einer Vielzahl an Arbeitern erlaube die ökonomische Krise jedoch nicht.
Konferenzbeiträge
Erklärung des kubanischen Delegierten für das Technische Unterkomitee, 12. Juli 1938, S. 1/3
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY
Erklärung des kubanischen Delegierten für das Technische Unterkomitee, 12. Juli 1938, S. 2/3
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY
Erklärung des kubanischen Delegierten für das Technische Unterkomitee, 12. Juli 1938, S. 3/3
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY