Aktualität und Geschichte

 

Menschen vor geschlossenen Schlagbäumen und Stacheldrahtzäunen, Flüchtlingsschiffe, denen die  Landung in sicheren Häfen verweigert wird, ergebnislos verlaufende Konferenzen, auf denen Staaten die Aufnahme von Geflüchteten grundsätzlich ablehnen, Forderungen von Nationalisten und Populisten nach Schließung der Grenzen: Die Bilder und Nachrichten ähneln sich – die aus den   „Flüchtlingskrisen“ unserer Gegenwart und die aus der Flüchtlingskrise der Jahre vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Ausgelöst hatte die damalige Flüchtlingskrise die Vertreibung der Juden aus Deutschland seit 1933 und insbesondere aus dem gerade annektierten Österreich. Dort hatte die sofort und  besonders brutal einsetzende Verfolgung durch das NS-Regime im Frühjahr 1938 zu einer Massenflucht geführt. 

Auf Initiative von US-Präsident Franklin D. Roosevelt trafen sich Vertreter von 32 Staaten vom 6. bis zum 15. Juli 1938  im mondänen Badeort Évian-les-Bains am französischen Ufer des Genfer Sees zu einer internationalen Flüchtlingskonferenz. Die Konferenzteilnehmer bekundeten zwar ihr Mitgefühl, lehnten die Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge aber mit unterschiedlichen Begründungen ab. So wurde die Konferenz von Évian zu einem Symbol dafür, wie die verfolgten und auf Zuflucht angewiesenen deutschen und österreichischen Juden von der internationalen Staatengemeinschaft weitgehend  im Stich gelassen wurden.

Auch wenn die Flüchtlinge, ihre Zahl und die Fluchtursachen von heute grundsätzlich andere sind als die von 1938, kann es für das Verständnis der Gegenwart hilfreich sein, mit der Konferenz von Évian ein historisches Beispiel für den Umgang der Staatengemeinschaft mit Flucht und Migration genauer in den Blick zu nehmen.

    

links: Flüchtlinge auf der „Balkan-Route“ an der griechisch-mazedonischen Grenze, 28. Januar 2016 (AFP/Armend Nimani) / rechts: Jüdische Flüchtlinge aus Österreich beim illegalen Grenzübertritt in die Schweiz, 20. August 1938 (The New York Times, Paris Office/National Archives, College Park, MD)

 

    

links: Einige der 220 Flüchtlinge auf der “Lifeline“ im Mittelmeer, Juni 2018 (Mission Lifeline e. V. / Hermine Poschmann) / rechts: Jüdische Passagiere auf der „St. Louis vor der Reede von Havanna, 8. Juni 1938 (The New York Times, Paris Office/National Archives, College Park, MD)