Paraguay
Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik
Paraguay ist, ähnlich wie die Nachbarstaaten Uruguay und Argentinien, ein klassisches Einwanderungsland für Europäer. Die jüdische Gemeinde des Landes bleibt allerdings aufgrund diskriminierender Einwanderungsbestimmungen sehr klein und konzentriert sich auf die Hauptstadt Asunción. Dennoch gibt es Antisemitismus, der vor allem aus dem Deutschen Reich importiert wird. Bernhard Förster und seine Frau Elisabeth, die Schwester von Friedrich Nietzsche, versuchen ab 1886 in „Nueva Germania“ eine „Arierkolonie“ zu gründen. Dieses Vorhaben scheitert jedoch.
In den 1930er-Jahren ist Paraguay geprägt von politischen Umwälzungen. Von 1932 bis 1935 führt das Land den Chaco-Krieg gegen seinen Nachbarn Bolivien. Infolgedessen erweitert sich das Staatsgebiet um etwa die Hälfte. Nach einem Militärputsch gegen die herrschende liberale Partei übernehmen im Februar 1936 die „Febreristas“ für 18 Monate die Macht. Die Putschisten sind, obwohl ideologisch heterogen, meist antiliberal, nationalistisch und antisemitisch eingestellt. Der neue Diktator Rafael Franco hegt Sympathien für den europäischen Faschismus, insbesondere für Hitler.
1937 kommt es zu einer Verschärfung der Einwanderungsbestimmungen: Die paraguayischen Konsulate in Europa werden angewiesen, fortan keine Visa mehr an „Vertriebene aus anderen Ländern“ zu vergeben. Diese Maßnahme richtet sich eindeutig gegen die europäischen Juden, da zugleich konstatiert wird, dass Paraguay nur „produktive“, also landwirtschaftlich tätige Einwanderer brauche. Wie in anderen lateinamerikanischen Ländern dient dieses vorgeschobene Argument dazu, die Einwanderung von jüdischen Immigranten zu verhindern. 1939 wehren sich Armee, Kirche und Parlament gemeinsam gegen die Realisierung eines Projekts der jüdischen Hilfsorganisation HICEM, die in Paraguay landwirtschaftliche Kolonien für Flüchtlinge errichten will.
Auch die Debatten im paraguayischen Parlament über eine vermeintliche „semitische Invasion“ verdeutlichen, dass Antisemitismus im Land durchaus verbreitet ist. Insgesamt lassen sich etwa 1.000 jüdische Einwanderer dauerhaft in Paraguay nieder. Einige paraguayische Konsuln verkaufen jedoch Tausende Visa an Flüchtlinge, die von Paraguay aus weiter nach Brasilien, Argentinien oder Uruguay wandern.
Rohrpost der General-Vertretung französischer Schiffahrts-Gesellschaften für Deutschland an Chaim Krug vom 5. Dezember 1938
In dem Schreiben erklärt die Gesellschaft, dass die bereits vergebenen Visa für Paraguay nun nicht mehr gültig seien. Auch die erwartete Abfahrt des Dampfers Campana könne deshalb nicht stattfinden.
Sammlung Wolfgang Haney, Berlin
Delegation
Gustavo Adolfo Wiengreen-Leuenroth
* 30.10.1868 Hamburg † 1942 unbekannt
Wiengreen wird als Spross einer alteingesessenen Hamburger Kaufmannsfamilie in der Hansestadt geboren. Später wandert die Familie nach Argentinien aus, wo er die ebenfalls deutschstämmige Diplomatentochter Catherina P. R. Tietjen-Becker aus Rosaria heiratet. In den 1930er-Jahren wird Wiengreen Botschafter Paraguays in Österreich.
Seine Tochter Ingrid wird im Frühjahr 1937 in Wien während eines von vier Jugendlichen verübten Überfalls in ihrem Auto erschossen. Der Fall sorgt in der österreichischen Presse für einiges Aufsehen.
Neben seiner Diplomatenkarriere leitet Wiengreen ein Viehzuchtunternehmen in der paraguayischen Kleinstadt San Bernardino und engagiert sich dort gemeinsam mit seiner Frau für die deutschsprachige Gemeinde.
„Der Gesandte von Paraguay, Exzellenz Gustavo A. Wiengreen“, gezeichnetes Portrait von Robert Fuchs, 1934
Zeichnung: Robert Fuchs/ Österreichische Nationalbibliothek, Wien, PORT_00021167_01
Zusammenfassung der Stellungnahme
Die öffentliche Stellungnahme des paraguayischen Delegierten Wiengreen ist kurz. Er beschreibt Paraguay als großes, fruchtbares, aber dünn besiedeltes Land, das seine natürlichen Ressourcen nicht voll ausschöpfen könne. Unter dieser Prämisse werde Einwanderung von „fleißigen Individuen“ als Hilfe befürwortet. Allerdings sei es „sinnvoll, wenn nicht unumgänglich“, die Einwanderer auszuwählen: Ein Gesetz von 1937 erlaube daher die Immigration von Landwirten und bestimmten Kategorien von Handwerkern, die mit der Landwirtschaft verbunden seien. Darüber hinaus nennt Wiengreen keine Einschränkungen; Paraguay freue sich, einen Beitrag zu den Zielen der Konferenz zu leisten.
Konferenzbeiträge
Rede von Gustavo Wiengreen (Paraguay) in der öffentlichen Sitzung am 11. Juli 1938, 11 Uhr
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY
Erklärung des Delegierten Paraguays bei der Sitzung des Komitees am Montag, den 11. Juli 1938, um 10 Uhr
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY