Nicaragua
Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik
Im Vergleich mit den drei anderen Diktaturen des Nordens gelingt es dem Begründer der am längsten andauernden Diktatur in Zentralamerika, Anastasio Somoza Garcia, erst relativ spät, sich gegenüber großen Teilen der Elite des Landes durchzusetzen.
Zunächst inszeniert sich Somoza als vermeintlicher Hüter der Interessen der Lohnabhängigen. Dann gewinnt er durch seine Abwertungspolitik in den Jahren extremer Inflation 1937 bis 1939 zunehmend die Unterstützung der Oligarchie, während die Mittel- und Unterschicht verarmen.
Die in Anlehnung an die SA aufgebaute Nationalgarde erhält polizeiliche Funktionen und kontrolliert die Ein- und Auswanderung, was für den Somoza-Clan eine erhebliche Einnahmequelle darstellt. Aber erst durch die Unterstützung der USA (Einladung nach Washington) 1939 setzt sich der frühere Dolmetscher für US-Truppen als unangefochtener Machthaber durch. Erst jetzt beendet Nicaragua auch die bis zu diesem Zeitpunkt bedeutenden Außenhandelsgeschäfte mit dem Deutschen Reich.
Als Zufluchtsland spielt Nicaragua in diesen Jahren keine Rolle: Nur etwa 35 Emigranten erreichen das zentralamerikanische Land.
Delegation
Constantino Herdocia y Terán
* 18.1.1880 Ciudad de León, Nicaragua † 21.5.1953 San José, Costa Rica
Der gebürtige Nicaraguaner Constantino Herdocia y Terán geht für das Medizinstudium nach Europa und studiert in Paris und Berlin. Nach dem abgeschlossenen Studium praktiziert Terán ab 1913 in Costa Rica, wo er bald zu einem bekannten Hals-Nasen-Ohrenarzt wird und an der Universität San José lehrt.
In den 1930er-Jahren tritt der erfolgreiche Arzt in den diplomatischen Dienst Nicaraguas ein und wird nach Europa geschickt. Dort fungiert er ab 1934 als Gesandter Nicaraguas in Frankreich sowie ab 1937 in Österreich und im Vatikan.
Die Delegierten Zentralamerikas (2.v.l.: Constantino Herdocia y Terán)
Jüdische Presszentrale Zürich, 15. Juli 1938 / Archiv für Zeitgeschichte / ETH Zürich
Zusammenfassung der Stellungnahme
In der öffentlichen Sitzung am Montag, dem 11. Juli 1938, geben die Delegierten von Nicaragua, Costa Rica, Honduras und Panama eine gemeinsame Stellungnahme ab. Hierin erklären sie ihre Übereinstimmung in der Notwendigkeit einer „moralischen Unterstützung“ der Initiative Roosevelts und ihre beabsichtigte Mitarbeit an der Flüchtlingshilfe. Voraussetzung sei aber, dass alle auf der Konferenz vertretenen Länder einen in Bezug auf ihre Größe ähnlichen Anteil an Flüchtlingen aufnähmen, ungeachtet der bereits vor der Konferenz Eingewanderten. Eine solche Quote könne man angesichts knapper Ressourcen und geringer Assimilationskräfte nicht übersteigen. Zudem müssten Flüchtlinge auf eigene Kosten und eigenes Risiko reisen. Aufzunehmende dürften nicht Gruppen angehören, die per Gesetz von einer Einwanderung ausgeschlossen sind. Die Delegierten stimmen darin überein, dass eine Aufnahme von Händlern und Intellektuellen wegen „Überfülle“ in diesen Berufen nicht möglich sei.
In ihrem Bericht an das Technische Unterkomitee fügen Nicaragua, Guatemala, Costa Rica und Honduras jedoch später hinzu, genauere Angaben zu Zahl und Art der aufzunehmenden Flüchtlinge überhaupt nicht machen zu können. In Bezug auf die gesetzlichen Vorgaben und nicht gewünschten Gruppen wird die Delegation Costa Ricas in ihrem Bericht an das Technische Unterkomitee deutlicher: Zugelassen würden keine mittellosen Personen – Einwanderer müssten eine Erklärung über ihre Finanzkraft abgeben und diese beweisen, zudem sei bei der Einreise das Vorzeigen oder Hinterlegen von 1.000 Colóns nötig. Auch erhalte keine Einreiseerlaubnis, wer Organisationen angehöre, die sich gegen Familie, Privatbesitz oder das Gesellschaftssystem richteten, oder Mitglied einer Partei sei, die Streik, Klassenkampf oder kommunistische Ideen propagiere. Zuletzt erklärt die Delegation auch Büroangestellte, Geschäftsleute oder Experten, die Einheimischen Konkurrenz machen könnten, als nicht erwünscht.
Die Delegation Panamas hingegen betont in ihrem nichtöffentlichen Bericht, ihre Einwanderungsgesetze beinhalteten zwar Restriktionen für „gewisse östliche Rassen“, für Juden aber gebe es weder Diskriminierungen noch Vorzüge, sie würden primär als Angehörige ihrer jeweiligen Nation behandelt. Bereits eingewanderte deutsche Juden seien an Universitäten oder im Bildungssystem tätig.
Konferenzbeiträge
Gemeinsame Erklärung von Dr. Constantino Herdocia, Delegierter der Republik Nicaragua, Professor Luis Dobles Segreda, Delegierter der Republik Costa Rica, Dr. Mauricio Rosal, Delegierter der Republik Honduras, und Dr. Ernst Hoffmann, Delegierter der Republik Panama, im Namen ihrer Regierungen gegenüber dem Zwischenstaatlichen Komitee, Évian, 11. Juli 1938, 11 Uhr, S. 1/2
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY
Gemeinsame Erklärung von Dr. Constantino Herdocia, Delegierter der Republik Nicaragua, Professor Luis Dobles Segreda, Delegierter der Republik Costa Rica, Dr. Mauricio Rosal, Delegierter der Republik Honduras, und Dr. Ernst Hoffmann, Delegierter der Republik Panama, im Namen ihrer Regierungen gegenüber dem Zwischenstaatlichen Komitee, Évian, 11. Juli 1938, 11 Uhr, S. 2/2
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY
Stellungnahme der Delegationen von Nicaragua, Guatemala, Costa Rica und Honduras für das Technische Unterkomitee, 11. Juli 1938
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY
Schreiben an den Vorsitzenden des Technischen Unterkomitees von Dr. Constantino Herdocia, Delegierter Nicaraguas, und Dr. Mauricio Rosal, Delegierter von Honduras, vom 11. Juli 1938
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY