Irland
Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik
Irland ist ein klassisches Auswanderungsland. Hungersnöte, Armut und Perspektivlosigkeit bringen vor allem im 19. Jahrhundert Millionen Menschen dazu, die Insel zu verlassen. Diese Migrationsbewegung setzt sich auch Anfang des 20. Jahrhunderts in abgemilderter Form fort. Politische Unruhen und Umwälzungen prägen die Region: 1922 kommt es infolge des irischen Unabhängigkeitskrieges zur Gründung des Irischen Freistaates.
Als „Dominion“ ist Irland jedoch nach wie vor mit Großbritannien verwoben. Autarkiebestrebungen prägen das wirtschaftliche und politische Handeln der irischen Regierung, an deren Spitze in den 1930er-Jahren der Gründer der konservativen Fianna Fáil-Partei, Éamon de Valera, steht. 1937 setzt er eine neue Verfassung durch, in der Irland zu einem souveränen, unabhängigen Staat erklärt wird. Die endgültige Loslösung von Großbritannien erfolgt jedoch erst 1949. Irlands Wirtschaft ist landwirtschaftlich geprägt, die Industrie befindet sich noch in den Kinderschuhen.
Die irische Einwanderungspolitik der 1930er-Jahre, die ihre rechtliche Grundlage im „Aliens Act“ von 1935 findet, ist rigide. Eine Einreise ist nur mit Visum und zusätzlichem „landing permit“ eines Einwanderungsbeamten möglich. Zukünftige Arbeitnehmer benötigen bereits vor der Einreise eine Arbeitserlaubnis. Diese wird jedoch nur bewilligt, sofern dadurch keinem Iren ein Nachteil entsteht. Alle anderen müssen nachweisen, dass sie über ausreichend finanzielle Mittel verfügen. Eine Ausnahme stellen Ausländer dar, die aus dem Vereinigten Königreich einreisen: Sie brauchen keine Einreisegenehmigung und werden nicht kontrolliert, was einige Flüchtlinge nutzen, um als „Besucher“ getarnt auf die Insel zu gelangen.
Federführend bei der Umsetzung des „Aliens Act“ ist das Justizministerium. Im Gegensatz zu de Valera, der eine liberalere Haltung vertritt, fährt das Ministerium einen strikten Kurs, insbesondere gegenüber jüdischen Flüchtlingen. Diese werden, wie es ein hochrangiger Vertreter des Justizministeriums nach dem Krieg rückblickend formuliert, als „potentielle Störfaktoren für das Gemeinwesen“ angesehen, da sie sich vermeintlich nicht assimilieren könnten. Auch die Sorge vor einer Zunahme des Antisemitismus dient zur Rechtfertigung der restriktiven Politik. Weniger als 300 Juden finden in Irland Zuflucht.
Außenministerium der USA (Cordell Hull) an Myron C. Taylor, US-Botschaft Paris, 2. Juli 1938
Trotz der geringen Flüchtlingszahlen pocht Irland auf eine Einladung zur Évian-Konferenz. Offiziell wird der Teilnahmewunsch unter anderem mit den nichtvorhandenen Einwanderungsschranken zwischen Irland und Großbritannien begründet. Aber auch außenpolitisches Kalkül dürfte dabei – im Rahmen der politischen Unabhängigkeitsbestrebungen – eine wichtige Rolle spielen.
National Archives, College Park, MD
Delegation
Francis (“Frank”) Thomas Cremins
* 20.1.1885 Carrick-on-Suir † 1.8.1975 Dalkey
Der Sohn eines Lehrers und der Leiterin eines Arbeitshauses beginnt seine Laufbahn 1900 als Praktikant bei der britischen Postverwaltung und steigt allmählich zum mittleren Beamten auf. 1922 wechselt er in das Referat für Öffentlichkeitsarbeit des Außenministeriums. In dieses kehrt er nach vierjähriger Arbeit im Landwirtschaftsministerium zwischen 1925 und 1929 zurück, um die Leitung der Völkerbund-Abteilung zu übernehmen. In dieser Funktion hat er maßgeblichen Anteil daran, dass der Irische Freistaat 1930 für drei Jahre als nichtständiges Mitglied in den Völkerbundsrat gewählt wird.
Im Mai 1934 wird Cremins Ständiger Vertreter des Freistaates beim Völkerbund in Genf, von wo er die irische Regierung über dessen Niedergang und den Aufstieg von Faschismus und Totalitarismus unterrichtet. Cremins bleibt beim Rumpf-Völkerbund bis zum Mai 1940, als er zum Geschäftsträger der neuen irischen Botschaft in der Schweiz ernannt wird. Diesen Posten füllt er bei zunehmend schlechtem Gesundheitszustand aus, bis er im Juli 1949 in den Ruhestand geht.
Francis Thomas Cremins, undatiert
National Archives of Ireland, Dublin
John Edwin Duff
* 1895 Dublin † 20.8.1949 Dublin
Nach einem Studium der Mathematik und Physik in Dublin tritt John Duff 1914 als Rechnungsprüfer in den Dienst der britischen Rechnungskontrollbehörde in London. 1919 wird er zum Local Government Board, der Aufsichtsbehörde für lokale Verwaltungen, im Dubliner Custom House versetzt. Als dieses 1921 während des irischen Unabhängigkeitskrieges von der Irish Republican Army niedergebrannt wird, wird er der Finanzabteilung des Chief Secretary‘s Office, der faktischen Regierung im britischen Irland, zugeteilt.
Kurz nach der Unterzeichnung des Vertrages über den Irischen Freistaat wechselt er im Januar 1922 in das neugeschaffene Office of Home Affairs, in dem er 1923 zum Stellvertretenden Abteilungsleiter aufsteigt. Im selben Jahr wird Duff als vor Gericht tätiger Rechtsanwalt zugelassen und 1938 zum Stellvertretenden Justizminister ernannt. Als solcher ist er für die irische Ausländerpolitik zuständig. Im Januar 1949 wird Duff Justizminister, stirbt aber nach wenigen Monaten im Amt.
Zusammenfassung der Stellungnahme
Während der öffentlichen Stellungnahme am 11. Juli 1938 bekundet Frank Cremins Irlands Mitgefühl mit den Flüchtlingen, stellt jedoch klar, dass die irische Regierung „zu ihrem großen Bedauern nicht in der Lage ist, einen substanziellen Beitrag zur Lösung“ zu leisten. Irland sei ein kleines Land, die Mehrheit der Bevölkerung lebe nach wie vor von der Landwirtschaft und es sei „nicht genug Land vorhanden, um die Bedürfnisse unserer eigenen Leute zu befriedigen.“ Auch in der Industrie sehe er keine Arbeitsmöglichkeiten, da diese „noch nicht imstande“ sei, „das reguläre Wachstum in unserer Bevölkerung aufzufangen, so dass jedes Jahr […] junge Menschen aufgrund der Umstände gezwungen sind zu emigrieren.“ Irland sei, wie es in einer internen Stellungnahme heißt, nur bereit Ausländer aufzunehmen, „deren Ausbildung und Erfahrung von besonderem Wert sein könnten“ – etwa im industriellen Bereich. Aber auch dann gebe es keine permanente Bleibegarantie.
Konferenzbeiträge
Stellungnahme von Francis Thomas Cremins (Irland) in der öffentlichen Sitzung am 11. Juli 1938, 11 Uhr, S. 1/2
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY
Stellungnahme von Francis Thomas Cremins (Irland) in der öffentlichen Sitzung am 11. Juli 1938, 11 Uhr, S. 2/2
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY
Stellungnahme der irischen Delegation für das Technische Unterkomitee, 11. Juli 1938, S. 1/3
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY
Stellungnahme der irischen Delegation für das Technische Unterkomitee, 11. Juli 1938, S. 2/3
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY
Stellungnahme der irischen Delegation für das Technische Unterkomitee, 11. Juli 1938, S. 3/3
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY