Vorbereitungen und Erwartungen
Auf die amerikanische Einladung zur Flüchtlingskonferenz reagieren die von den USA abhängigen Staaten Lateinamerikas mit schnellen Zusagen. Mit Verzögerung und leichter Skepsis sagen auch die angesprochenen Staaten Nord- und Westeuropas ihre Teilnahme zu. Nur das Italien Benito Mussolinis lehnt eine Teilnahme aus innen- und außenpolitischen Gründen ab. Zur Vorbereitung der Konferenz beruft Präsident Roosevelt ein Beratergremium für Flüchtlingsfragen ein, dem Vertreter des amerikanischen Judentums und der christlichen Kirchen angehören.
Von der angekündigten Konferenz versprechen sich viele der zur Auswanderung gezwungenen deutschen und österreichischen Juden eine großzügigere Einwanderungspolitik ihrer Zielländer. Die Befreiung aus einer verzweifelten Lage erhofft sich auch eine Gruppe von etwa 50 Juden, die Mitte April 1938 aus dem österreichischen Burgenland von der SA vertrieben worden sind. Nachdem Ungarn und die Tschechoslowakei sie zurückgewiesen haben, sind sie auf einem Kahn am ungarischen Donauufer untergebracht worden, den sie nicht verlassen dürfen.
Presseerklärung des Department of State, 24. März 1938
In seiner Einladung zur Konferenz betont das US-Außenministerium, von keinem der an der Konferenz teilnehmenden Staaten werde erwartet, über die bestehenden gesetzlichen Regeln hinaus Flüchtlinge aufzunehmen. Etliche Staaten verschärfen noch vor, während und kurz nach der Konferenz ihre Einwanderungsbestimmungen, so dass jüdische Flüchtlinge kaum eine Chance auf Einwanderung haben.
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY
Übersicht über Zu- und Absagen auf die Einladung des Department of State, Mitte April 1938
United Nations Archives, Genf
Mitglieder des President‘s Advisory Committee on Refugees vor dem Weißen Haus, 13. April 1938
v.l.n.r.: Der New Yorker Rechtswissenschaftler Joseph P. Chamberlain, der stellvertretende Außenminister George S. Messersmith, Rabbi Stephen S. Wise, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Henry Morgenthau sr., der protestantische New Yorker Bischof Samuel M. Cavert, Monsignore Michael J. Ready, Arbeitsministerin Frances Perkins und Louis P. Kenedy, Präsident des National Council of Catholic Men, nach dem ersten Treffen mit Präsident Roosevelt. Den Vorsitz des Beratergremiums übernimmt James G. McDonald, der ehemalige Flüchtlingskommissar des Völkerbunds.
Harris & Ewing / Library of Congress, Washington DC, Prints & Photographs Division, LC-DIG-hec-24424
Präsident Roosevelt an James G. McDonald, 8. April 1938
Franklin D. Roosevelt Library, Hyde Park, NY
Myron C. Taylor, 1936
Wenig später ernennt Präsident Roosevelt den Rechtsanwalt und Stahlmanager Myron C. Taylor zum amerikanischen Chefdelegierten bei der Konferenz. Taylor hat U. S. Steel erfolgreich durch die Wirtschaftskrise geführt, mit den Gewerkschaften zusammengearbeitet und Roosevelt in dessen Wahlkämpfen unterstützt. Der Präsident traut ihm zu, bei der geplanten Flüchtlingskonferenz „diese Leute zusammenzubringen”.
Foto: Pirie MacDonald / Library of Congress, Washington DC., Prints & Photographs Division, LC-USZ62-100836
Albert Einstein und Wissenschaftler der Universität Princeton an Cordell Hull, 26. März 1938
Der Physiker Albert Einstein und die Mathematiker James Waddell Alexander, Marston Morse, John von Neumann, Oswald Veblen und Hermann Weyl, von denen die meisten selbst vor dem NS-Regime geflohen sind, bedanken sich beim US-Außenminister für die „großzügige Initiative zugunsten der Opfer der Nazi-Unterdrückung in Österreich und Deutschland“.
National Archives, College Park, MD
Cordell Hull an Albert Einstein, 2. April 1938
US-Außenminister Cordell Hull reagiert auf ein Dankesschreiben des Physikers Albert Einstein und weiterer Wissenschaftler. In seiner Antwort drückt Hull die Hoffnung der US-Regierung aus, dass ihre Bemühungen zu diesem „schwierigen Problem erfolgreich dessen humanitäre Seite betonen und das Schicksal vieler dieser unglücklichen Leute erleichtern werden.“
National Archives, College Park, MD
Grafik aus dem Artikel „47 Refugees Deported“, Daily News & Chronicle, 8. August 1938
Die von der SA auf einem Wellenbrecher in der Donau ausgesetzten Juden von Kittsee werden zwischen dem Reichsgebiet, der Tschechoslowakei und Ungarn hin- und hergeschoben, bevor 47 von ihnen auf der Laertes untergebracht werden. Erst im September 1938 können 26 von ihnen mit einem britischen Studentenvisum nach Palästina ausreisen, die übrigen werden von den USA und Bolivien aufgenommen.
Schweizerisches Bundesarchiv, Bern, E4800.1#1000867#60
Tribune de Genève, 13. September 1938
Flüchtlinge auf der Laertes
Schweizerisches Bundesarchiv, Bern, E4800.1#1000867#61