Reaktionen von Hoffnung bis Häme
Internationale jüdische Organisationen bescheinigen der Konferenz Erfolg. Dagegen wird von den zionistischen Organisationen in Palästina kritisiert, dass dessen Grenzen und die anderer Länder für jüdische Flüchtlinge weiterhin geschlossen bleiben. Mit verhaltener Hoffnung auf Erleichterung der Auswanderung durch die Konferenzbeschlüsse reagieren dagegen die Organisationen der Juden in Deutschland.
Der Ehrenpräsident der Konferenz hat den anwesenden Pressevertretern zum Abschluss der Konferenz dafür gedankt, dass sie „diskret, aber doch weitreichend“ berichtet und dem Anliegen der Konferenz entsprochen hätten, „niemanden zu verletzen, aber allen zu helfen.“ Die Ergebnisse der Konferenz werden aber von der internationalen Presse – je nachdem, ob vom Interesse der Staaten oder vom Schicksal der Flüchtlinge ausgegangen wird – außerordentlich unterschiedlich kommentiert.
Die vom Propagandaministerium gelenkten deutschen Zeitungen betonen in Kommentaren und Karikaturen die in Évian zu Tage getretene mangelnde Aufnahmebereitschaft der Staatengemeinschaft für jüdische Flüchtlinge und werten sie hämisch als Bestätigung der NS-Judenpolitik.
Jüdisches Gemeindeblatt. Organ des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, 24. Juli 1938, S. 1/2
Für den Kommentator des Jüdischen Gemeindeblatts rechtfertigen die Ergebnisse der Konferenz in Évian „eine positive Bewertung“ und einen „gedämpften Optimismus“, da Aussicht bestehe auf „einen brauchbaren Plan, der die Auswanderung regelt“.
Leo Baeck Institute, New York, NY
Jüdisches Gemeindeblatt. Organ des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, 24. Juli 1938, S. 2/2
Für den Kommentator des Jüdischen Gemeindeblatts rechtfertigen die Ergebnisse der Konferenz in Évian „eine positive Bewertung“ und einen „gedämpften Optimismus“, da Aussicht bestehe auf „einen brauchbaren Plan, der die Auswanderung regelt“.
Leo Baeck Institute, New York, NY
Arie Navon, Karikatur „Evian-Komitee“
Arie Navon, Hauskarikaturist von Davar, der Zeitung des zionistischen Gewerkschaftsbundes, zeigt hingegen die Türen von (v.r.n.l.) Palästina (Eretz Israel), Großbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika mit dem Schild „Geschlossen“. Dem mit Fußtritten aus seiner Heimat vertriebenen jüdischen Flüchtling wünscht er sarkastisch „Dann weiter gute Reise“.
Davar, 14. Juli 1938 / Central Zionist Archives, Jerusalem
„Das gute Ergebnis von Evian“, Der Bund, Bern, 17. Juli 1938
Die Schweizer Zeitung bescheinigt der Konferenz einen „doppelten Erfolg“ wegen der „Lösung des Flüchtlingsproblems im technischen Sinne“ und der „Zusammenarbeit aller in Évian vertretenen Mächte“.
Auswärtiges Amt / Politisches Archiv, Berlin, Bern 1962
Herbert Block: „Still no solution“, 25. Januar 1939
Der US-Karikaturist Herbert Block sieht mehr als ein halbes Jahr nach der Konferenz in Évian „immer noch keine Lösung“ des „Flüchtlingsproblems“.
The Herb Block Foundation, Image courtesy of the Library of Congress, Prints & Photographs Division LC-DIG-hlb-01250
Daily Herald, London, 26. August 1938
„Im Stich gelassen“. Der britische Kommentator dagegen stellt fest, Staaten mit milliardenschweren Etats hätten nur eine ständige Einrichtung mit einem Direktor und drei Assistenten in drei Räumen mit kleinem Budget zustande gebracht, und fragt sarkastisch: „Wenn das Hilfe für Flüchtlinge ist, wie sähe es dann aus, wenn die Staaten vorhätten, sie im Stich zu lassen?“
National Archives, College Park, MD
„Keiner will sie haben“, Völkischer Beobachter, 12. Juli 1938
Bundesarchiv, Berlin, R 58-3426a, Bl. 97
LK (Ladislaus Kmoch): Karikatur ohne Titel, Das Kleine Blatt, 2. Februar 1939
Ladislaus Kmoch, langjähriger Karikaturist der ursprünglich sozialdemokratischen Wiener Boulevardzeitung Das Kleine Blatt, stellt die Juden als Ratten dar, die aus Deutschland vertrieben wurden und vor denen auch die demokratischen Staaten trotz ständiger Mitleidsbekundungen ihre Tore geschlossen halten. Diese Darstellung der Juden als zu vernichtende Schädlinge dient wenig später in dem Propagandafilm „Der ewige Jude“ der Rechtfertigung der Massenmorde an Juden im besetzten Polen.
Ladislaus Kmoch / Österreichische Nationalbibliothek, Wien, 608.331-D.Neu-Per
Karikatur „Juden nirgends mehr erwünscht“, 1938
Philipp Rupprecht, unter dem Pseudonym „Fips“ Zeichner des antisemitischen Hetzblattes Der Stürmer, lässt als „Ahasver, der ewige Jude“ einen Vertreter des von ihm geschaffenen Typus des „Stürmer-Juden“ feststellen, dass in allen Ländern „Juden nicht mehr erwünscht“ seien.
Philipp Rupprecht / Der Stürmer 20/1938